Kommunikationssysteme und ECE Zulassung
In diesem kleinen Artikel möchte ich mal ein paar Gedanken zu dem vieldiskutierten Thema niederschreiben. Am Schluss werde ich in der Zusammenfassung der Thematik meine persönliche Meinung dazu schreiben. Vorab, alles, was nicht mit Bezügen wie Vorschriften, Paragraphen etc. belegt ist, spiegelt nur meine persönliche Ansicht dazu wieder. Dieser Artikel dient allein zur Information und ist keine Rechtsberatung.
Auf ein paar Dingen wird schon seit geraumer Zeit im Netz “herumgeritten”:
- der geeignete Schutzhelm für die Teilnahme am Straßenverkehr in Deutschland
- Zulassung bzw. Homologation von Schutzhelmen für motorisierte Fahrzeuge nach ECE(Economic Commission Europe)-Regelung Nr. 22
- Zulässigkeit von Kommunikationssystemen bei Schutzhelmen für die Teilnahme am Straßenverkehr in Deutschland.
Damit wir gedanklich bei der Angelegenheit nicht “verkehrt Abbiegen” und im Hörensagen landen, müssen wir ein paar der Dinge zum Teil etwas näher und umfangreicher betrachten. Fangen wir direkt mal am ersten Punkt an. Der sollte eigentlich schnell abgearbeitet sein, denn in Deutschland gibt es nur eine rechtlich verbindliche Aussage für Kraftrad-Schutzhelme zur Teilnahme am Straßenverkehr.
Das ist der §21a Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO).In der aktuell gültigen Fassung von 2013 (Stand 09.04.2025) heißt es dort: “(2) Wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt, muss während der Fahrt einen geeigneten Schutzhelm tragen. Dies gilt nicht, wenn vorgeschriebene Sicherheitsgurte angelegt sind.”
Hier müssen wir etwas weiter ausholen und über den Begriff „geeignet“ sprechen, denn der hat erst seit 19.03.1990 gemäß dem §1 der 2. Ausnahmeverordnung StVO bezüglich Abs. 2 des §21a StVO Relevanz; in der Grundfassung stand dort “amtlich genehmigt”. Am 22.12.1992 wurde mit der ersten Verordnung zur Änderung der 2. Ausnahmeverordnung StVO festgelegt, dass die Verwendung “geeigneter” Kraftrad-Schutzhelme, anstatt “amtlich genehmigter” Kraftrad-Schutzhelme, unbefristet zulässig ist (VKBl 1990 S. 230).
Das ist ab dem Datum Stand der Dinge und am 01.01.2006 wurde dann der Begriff “amtlich genehmigt” durch geeignet im §21a (2) der StVO ersetzt. Auch hier ist seitdem der Begriff “Eignung” bzw. “geeignet” nicht definiert.
Es gibt allerdings eine Stellungnahme vom Bundesministerium (BM) für Verkehr von August 2008 dazu:
„Geeignet werden vielmehr Schutzhelme sein, die eigens für das Motorradfahren hergestellt worden sind und deren Bauart die besonderen Kräfte und Beschleunigungen, die auf den Kopf des Motorradfahrers während eines Sturzes einwirken, ausreichend berücksichtigen. Ob tatsächlich eine ausreichende Schutzwirkung vorliegt, ist im Zweifel in jedem Einzelfall zu klären und hängt insbesondere auch von dem Zustand des jeweiligen Helmes ab. Es ist daher zu empfehlen, einen nach der ECE-Regelung Nr. 22 gebauten, geprüften und genehmigten Schutzhelm zu tragen.“
Also, geeignet ist jetzt definiert und eine Empfehlung wurde ausgesprochen.
Eigenverantwortung ist gefragt.
In der Empfehlung taucht die ECE-Regelung Nr. 22 auf und es sind ein paar nicht unerhebliche Begriffe genannt, der “Einzelfall”, der „Zustand“ und es ist zu “empfehlen”.
Also ist es in Deutschland “zu empfehlen” und nicht vorgeschrieben, einen nach ECE-Regelung Nr. 22 (oder vgl. Nachfolgeregelungen) gebauten, geprüften und genehmigten Schutzhelm zu tragen und definiert das “geeignet” nicht. Leider wird im Netz aufgrund eigener Auslegung oftmals behauptet, dass man einen solchen Schutzhelm tragen müsse, wenn man am Straßenverkehr mit einem Fahrzeug ohne Sicherheitsgurte, o. vgl. Schutzsystemen, teilnimmt.
In Deutschland ist ein “nur geeigneter” Helm im Normalfall nicht wirklich tragisch, sofern es nicht zum “Einzelfall”, sprich Unfall kommt (Im europäischen Ausland sollte man sich vorab erkundigen, welche “Norm” gilt.). Damit schlagen wir hier die Brücke zu den aktuell gültigen Homologationen ECE R 22.05 und ECE R 22.06. Also die ECE-Regelung Nr. 22 in der 5. und 6. Fassung, nach dem aktuell die gebauten, geprüften und genehmigten “Kraftrad-Schutzhelme” verkauft werden dürfen. Helme nach ECE R 22.05 dürfen noch verkauft (Rest- bzw. Lagerbestände), aber nicht mehr neu hergestellt werden. Wie erkenne ich einen solchen ECE-konformen Helm? Im Futter oder am Kinnriemen ist ein Aufnäher befestigt, auf dem diese Zulassung vermerkt ist. Zusätzlich befindet sich bei einigen Helmen außen, meist hinten im „Nackenbereich“ des Helmes, ein kleiner Aufkleber mit den (Kurz-)Angaben, z.B. ECE R 22.05. Das wird gemacht, damit man auch von außen relativ schnell und einfach erkennen kann welcher Norm der Helm entspricht, ist aber eher als “verkaufsfördernd” einzustufen.
Hier mal zwei Beispiele für diese Aufkleber, links der MTR Jethelm und rechts der HJC i20. Auf den Scorpion Helmen fehlte der bzw. bei einem war der abgefallen und lag im Karton.


Relevant ist der Aufnäher, denn dort befindet sich das E-Prüfzeichen mit weiteren Angaben und die Prüfnummer. Fakt ist, dass der Helm, so wie er vom Hersteller kommt, der ausgewiesenen Regelung entspricht.
Hier zum Beispiel der Aufnäher von unseren Scorpion Helmen.

Auf dem Etikett sind verschiedene Angaben:
- E 11 – das sog. Prüfzeichen bestehend aus einem Kreis mit darin befindlichem Buchstaben E und einer nachfolgenden Kennzahl. Das E sagt aus, dass es sich um eine Prüfung der ECE handelt und die Kennzahl steht für ein bestimmtes Land, hier war es die 11 für das Vereinigte Königreich. Teile mit einem Prüfzeichen benötigen für den Nutzer keinerlei weitere Bescheinigungen (Betriebserlaubnis, ABE etc. ) um die Betriebssicherheit und Konformität nachzuweisen.
- 06 – die Prüfnummer, hier die 06 für die ECE R 22.06
- 0729 – die Zulassungsnummer des Helms
- P/J – ist eine Doppelzulassung, zum einen mit dem P als Integralhelm (mit der erforderlichen und geprüften Schutzwirkung) und mit dem J als Jethelm. D.h. als sog. Modularhelm kann er nicht nur aufgeklappt werden, sondern darf auch als Jethelm aufgeklappt gefahren werden, wenn er eine wirksame Arretierung für das klappbare Kinnteil sowohl „offen“ als auch mit geschlossenem Kinnteil hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kinnteil nur hochgestellt werden kann, oder komplett nach hinten übergeklappt werden kann, wie bei unseren Scorpion Helmen. Mein HJC i20 hat „nur“ ein einfaches abnehmbares Kinnteil“, das keine Zulassung für einen Integralhelm hat und damit ist er nur als J, also als Jethelm, zugelassen.
- 026-1439 – ist eine Fertigungsnummer des Helmes, die der Hersteller ausgibt..
Gut weiter im Text.
Ruckzuck sind wir dann schon beim nächsten Punkt, den Kommunikationssystemen. Hier wird es interessant, denn wer viel fragt, bekommt viele Antworten. So ist das Netz voll von Fragen und Antworten, die zu unterschiedlichen Antworten kommen.
Auch hier möchte ich versuchen, ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Festhalten müssen wir zuerst einmal folgendes: Jede Veränderung (anderes Visier ohne Prüfnummer, Anbauten etc.) führt dazu, dass der Helm nicht mehr konform der Regelung ist. Damit hat man dann maximal einen geeigneten Helm. Also alles, was nicht mitgeprüft wurde, führt dazu, dass sowohl die Homologationen nach ECE R 22.05 bzw. ECE R 22.06 an dem betreffenden „umgerüsteten/umgebauten“ Helm erloschen sind.
So, jetzt kommt der Moment, wo der Frosch ins Wasser springt. Kommunikationssysteme sind nämlich genau gesehen was spezielleres, irgendwie etwas, wie ein Kopfhörer, der nach StVO nicht getragen werden darf, sofern es “Over-Ear” oder gar “In-Ear” ist, also alles was die “Umgebungsgeräusche” des Straßenverkehrs quasi “abschirmt”.
Daher sind das bei diesen Systemen in der Regel nur kleine ungekapselte Lautsprecher, die zum Schutz mit einer dünnen Schicht Schaumstoff versehen sind und sich nicht direkt auf den Ohren befinden.
Zusätzlich versehen einige Hersteller diese Systeme mit einer Begrenzung in der Lautstärke. Neuerdings sind bei einigen Modellen im Rahmen der Software-Updates die Radio-Funktionen deaktiviert. Wahrscheinlich um die Funktion der “Dauerbeschallung” herstellerseitig zu verhindern.
Das Hören von Musik wäre bei vielen Modellen allerdings über das Smartphone immer noch möglich. Das sollten wir auch nicht weiter betrachten, das führt zu weit und wir “biegen verkehrt ab” .
Lange Rede, schwacher Sinn.
Jetzt geht’s zu den Kommunikationssystemen und den Diskussionen darüber. Betrachten wir erstmal folgende 3 Möglichkeiten:
- Möglichkeit 1: Die universellen Systeme, wie sie von vielen Herstellern zu Preisen von unter 100€ bis hin zu über 500€ (meist “2er Packs”) angeboten werden. Dies sind die o.a. Anbauten, die bei der Homologation nach ECE R 22.XX nicht mitgeprüft wurden, somit verliert der Helm seine ECE 22.XX. In DEU weniger kritisch, da er ja immer noch “geeignet” ist als Kraftrad-Schutzhelm (s o.). Im europ. Ausland sieht das fast überall anders aus, denn man ist dann mit einem nicht zugelassenen Helm unterwegs. Folgen? Länderspezifisch, ich rate jedem dringend, sich vorher damit auseinanderzusetzen, denn die Strafen können, wie auch bei Tempoverstößen, drastisch sein.
- Möglichkeit 2: Spezifische Systeme, die für bestimmte Helme (hersteller- oder gar modellspezifisch) hergestellt werden. Diese gibt es z.B. von Sena für Helme von Schuberth, HJC, Shoei und Arai, um nur einige zu nennen. Einer meiner Helme, die HJC i20, hat Vorrichtungen für die Integration der Modelle HJC 10B und 20B, die von Sena kommen. Das sind nicht nur die Vorrichtungen für den Einbau der Lautsprecher und des Mikrofons, sondern auch im Nackenbereich ist ein Deckel, den man abschrauben kann. Darunter ist ein Freiraum, in den man das “Modul” mit dem Akku und der Elektronik einsetzen und festschrauben kann. Die Bedieneinheit wird wie gewohnt an der linken unteren Helmseite befestigt/festgeklemmt. Das mal als Beispiel aus “eigenem Bestand”.
Bei anderen Herstellern ist das ähnlich. Allerdings habe ich keine Aussage dazu finden können, ob und wie das Einfluss auf die Homologation hat bzw. ob das “mitgeprüft” und genehmigt” wurde. Für wen das relevant ist, der möge doch bitte mit diesem Anliegen den Hersteller des Helmes anschreiben und den Sachstand erfragen.
- Möglichkeit 3 :(Smart-)Helme mit komplett integriertem Kommunikationssystem, wie z.B. die von Sena. Hier ist der Helm vom Hersteller mit dem System ausgerüstet worden. Die Bedienteile sind meist integriert, oder so am Helm befestigt. dass nicht irgendwo noch ein Bedienteil o.ä. außen zusätzlich “angehangen/angeklebt/angeklemmt” ist.
Die Smart-Helme von Sena (erhältlich als Integral-, Jet-, Klapp- bzw. Modularhelm) sind nach ECE R 22.06 (das z.Zt. neueste Modell Phantom) bzw. ECE R 22.05 homologiert.
Zusammenfassung: Wie schon mehrfach erwähnt, “reicht” es in DEU einen “geeigneten Kraftrad-Schutzhelm“ zu tragen um StVO-konform im deutschen Straßenverkehr unterwegs zu sein. Damit haben die Möglichkeiten 1 und 2 mit ggf. erloschenen Homologationen nach ECE R 22.XX keine Relevanz bei einer Kontrolle. Allerdings wird in der Stellungnahme vom BM für Verkehr (von August 2008, s.o.) „empfohlen“ einen nach ECE R 22.XX „geprüften und genehmigten” Helm zu tragen, da im Zweifel und im Einzelfall zu klären ist, ob tatsächlich eine ausreichende Schutzwirkung vorliegt, die insbesondere auch von dem Zustand des jeweiligen Helmes abhängt (s.o.). Also im Falle eines (Un-)Falles wird das ganz sicher im Einzelfall rechtlich bewertet und “amtlich begutachtet” werden müssen.
Es ist und bleibt Eure Sache, welche Schlüsse Ihr persönlich daraus zieht.
Mein Fazit:
Ich persönlich bleibe so lange bei Möglichkeit 1, bis die Gesetzgebung in DEU den §21a Abs. 2 ändert. Sollte ein Übereifriger meinen, mir damit Schwierigkeiten machen zu wollen, werde ich nicht diskutieren, mich nicht dazu äußern und den Vorgang zur rechtlichen Überprüfung an einen Anwalt übergeben. Daher werde ich auch tunlichst darauf achten, dass der Helm sich in einem einwandfreien Zustand befindet, nicht, dass die Gegenmaßnahme ein Rohrkrepierer wird oder es eskaliert.
(rüberkopiert, aktualisert und angepasst aus facebook ATV Grumpy)
Gute und unfallfreie Fahrt
Euer Tam aka ATV Grumpy
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